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Buchhändlerinnen und Buchhändler im Gespräch
Peter Peterknecht / Pascal Quicker
Thüringer Literaturrat e.V.
Direkt im Herzen der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt liegt die Buchhandlung Peterknecht. Mit ihrem Inhaber, Peter Peterknecht, sprach Pascal Quicker vom Thüringer Literaturrat.
Pascal Quicker: Seit wann gibt es Ihre Buchhandlung und seit wann arbeiten Sie in ihr? Oder, da die Buchhandlung Peterknecht in Erfurt ja bekanntermaßen eine Institution ist: Wie verlief Ihre bewegte Geschichte?
Peter Peterknecht: Das in wenigen Worten zusammenzufassen ist kompliziert. Die Buchhandlung wurde 1805 unter dem Namen Knicksche Buchhandlung gegründet. 1859 wurde sie von Hugo Neumann übernommen, der zu einer Erfurter Buchhändlerdynastie gehörte und verschiedene Ladengeschäfte besaß. Unser Haus firmierte dann unter dem Namen Hugo Neumanns Buchhandlung. Die Buchhandlung prägte und beherrschte den Erfurter Markt; aus ihr gingen die Keysersche Buchhandlung sowie unterschiedliche Leihantiquariate hervor.
Mein Großvater ist 1935 aus Frankfurt am Main nach Erfurt gekommen. Er war dort Geschäftsführer der Carolus-Buchhandlung, wurde jedoch von den Nazis aus dieser Stellung getrieben. In Erfurt kaufte er dann für 8.000 Reichsmark die heutige Buchhandlung Peterknecht von einem Herrn Wilhelm Kempf. Dabei handelte es sich, was aufgrund des Datums natürlich wichtig zu erwähnen ist, nicht um eine Zwangs-Arisierung. Nachdem mein Großvater nicht aus dem Krieg zurückkehrte – er wurde als vermisst gemeldet –, übernahm meine Großmutter das Geschäft. 1966 stieg dann mein Vater in die Firma ein. Er hat die Buchhandlung in der Folge zu neuen Höhen geführt. Mit einer Geschäftsfläche von einhundert Quadratmetern waren wir die größte katholische Buchhandlung in der gesamten DDR.
1989 haben wir die Buchhandlung wieder reprivatisiert, nachdem wir zuvor 1967 einen staatlichen Anteil aufnehmen mussten und somit eine KG waren. Diese Gelder haben wir zurückgezahlt und sind seit 1990 wieder eine private Buchhandlung. Die Entwicklung ging dann weiter, wir haben uns vergrößert und verschiedene Filialen ausprobiert, welche jedoch alle wieder geschlossen wurden. 1998 haben wir dann an dieser Stelle – am Anger 28 – auf siebenhundertfünfzig Quadratmetern neu aufgeschlossen. Wir haben den Kopf nie in den Sand gesteckt, obwohl wir nebenbei immer verschiedene Filialisten mit vor Ort hatten. Da war in unmittelbarer Nähe Buch-Habel und Hugendubel, mit je einer Fläche von 2.400 Quadratmetern. Es gab auch eine große Fläche Buchverkauf bei Breuninger und Karstadt. Vieles davon existiert heute nicht mehr – uns gibt es noch. Und das wird nach unserer Überzeugung auch künftig so bleiben.
Sind die Wurzeln der katholischen Buchhandlung noch heute relevant für Sie?
Das ist eine sehr komplizierte Frage. Die katholische Kirche hat sich dazu entschieden, dass diese Wurzeln nicht weiter gepflegt werden, und zwar dadurch, dass 1993 in Erfurt die Dombuchhandlung als Zweigstelle des Leipziger St. Benno Verlags eröffnet wurde. Die stark theologischen Elemente in unserer Buchhandlung sind beinahe gänzlich verschwunden. Das hängt auch damit zusammen, dass wir keine Pfarrämter mehr beliefern können. Die Vertriebswege zu Pfarrämtern sind sehr kompliziert geworden.
Außerdem sehe ich, obwohl wir hier in Erfurt das Priesterseminar sowie eine theologische Ausbildung an der Universität haben, ausgesprochen selten einen Pfarrer oder Theologiestudenten in unserer Buchhandlung. Welche Gründe das hat, kann ich nicht sagen. Ich habe dementsprechend nicht das Gefühl, dass überhaupt noch der Bedarf nach der Buchhandlung Peterknecht als katholischer Buchhandlung besteht. Es gibt schließlich die christliche Buchhandlung am Domplatz, welche allerdings weit stärker dem sogenannten Devotionalienhandel obliegt. Wir selbst haben weiterhin ein Regal mit allen wichtigen religiösen Titeln So gibt es neben den verschiedenen Bibelausgaben und Gesangbüchern durchaus auch populäre Bücher zu christlichen Themen. Auch andere Religionen sind berücksichtigt.
Wie kamen Sie zum Buch und was bedeutet es für Sie, Buchhändler zu sein? Oder vielleicht in Ihrem Fall: Wird einem das Buchhändler-Sein als Sohn einer Buchhändlerfamilie bereits in die Wiege gelegt? Wie schwer ist es, einem solchen Familienunternehmen seine persönliche Handschrift zu geben?
Das ist manchmal einfacher als man denkt. Viele wissen nicht, dass ich schon seit 1989 in dieser Buchhandlung arbeite und sie mir bereits seit 1992 gehört. Das ist zwar nicht weiter relevant, da mein Vater und ich lange Zeit gemeinsam mit gemeinsamen Ideen gearbeitet haben. Jedoch konnte auch ich in dieser Konstellation meinen eigenen Part einbringen, nämlich dass auch die finanziellen Aspekte entsprechende Berücksichtigung fanden. Wir haben uns immer sehr gut ergänzt.
Die Liebe zum Beruf wurde mir in die Wege gelegt, wobei ich auch sagen muss, dass ich zwei Brüder habe die weder Bücher lieben noch gerne lesen. Ich bin ein vielseitiger Leser in allen Bereichen, der sich ein Leben ohne das Medium Buch nicht vorstellen kann. Allerdings bin ich auch sehr offen, was die Art und Weise des Lesens angeht. Ich lese in jeder Form und unterscheide dabei nicht zwischen elektronischen Büchern und Printmedien.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Ich bin morgens um acht im Büro, schalte meinen Rechner an, bearbeite meine E‑Mails, kontrolliere die Zahlen des Vortages, führe danach Umsatzgespräche mit Mitarbeitern über die Entwicklung in einzelnen Abteilungen. Außerdem kümmere ich mich um die werblichen Aspekte. Ich schaue bei unseren Social-Media-Kanälen und unserer Website nach, ob irgendetwas geändert werden muss, was ich dann in gegebenem Fall weiter delegiere. Ich kümmere mich um Kontostände, eine Liquiditätsplanung und dann – gehe ich auch mal in die Buchhandlung.
Dort verbringe ich ungefähr sechzig Prozent meiner Arbeitszeit. Es ist mir dabei sehr, sehr wichtig, mich in allen Bereichen auszukennen, was mir, denke ich, auch ziemlich gut gelingt. Mich freut es täglich aufs Neue, wenn ich Kunden in der Buchhandlung sehe, die gern bei uns sind und auch das finden, was sie suchen. Ich berate gern und bin in dieser Hinsicht wohl auch ein typischer Buchhändler. Diesen zeichnet aus, dass er sich in allen Bereichen auskennt; nicht nur in der Belletristik, sondern beispielsweise auch in der juristischen Abteilung.
Wie gelingt es, dass man in einer so großen Buchhandlung wie der Ihren zu allen Themen eine fachlich fundierte Kundenberatung bieten kann?
Dabei spielen die einzelnen Abteilungsleiter die Hauptrolle. Wir haben ja eine ganze Menge Mitarbeiter – nicht Angestellte. Jeder hat seine Spezialabteilung, kennt sich allerdings auch in den anderen Abteilungen meist mehr oder weniger gut aus.
Was freut Sie als Buchhändler, was betrübt Sie?
Bei vielen Kollegen aus kleineren wie größeren Buchhandlungen bemerke ich eine Art Selbstmitleid. Alle Probleme werden auf den Onlinehandel geschoben, wodurch sich die wenigsten Kollegen in erster Instanz mit sich selbst beschäftigen. Ich bin überzeugt, dass die Sicht auf das eigene Unternehmen in unserem Beruf das wichtigste ist. Man sollte den Austausch mit Kollegen suchen, sehen, was andere besser und nicht schlechter machen. Man kann überall lernen, Neues entdecken und sich dadurch selbst weiterentwickeln.
Sehr gefällt mir, dass der Buchhandel wieder mehr Selbstbewusstsein an den Tag legt. Die große Angst vor dem Onlinehandel hat inzwischen wieder abgenommen, man sagt selbstbewusst: »Ja, wir sind Buchhändler, wir verkaufen Bücher und fühlen uns mit unseren Produkten wohl.« Das hört man immer wieder. Positiv hervorzuheben ist dabei natürlich auch der Buchhandlungspreis, der viele kleinere Buchhandlungen mit Stolz erfüllt, wenn sie mit ihm ausgezeichnet werden. Wir haben dieses Jahr auch das Glück, ihn zu erhalten, natürlich aufgrund unseres Umsatzes in der undotierten Form. Aber auch wir dürfen nach Kassel fahren und diesen Preis entgegennehmen.
Sehen Sie in der zunehmenden Digitalisierung des Buchmarktes eine Bedrohung für das Buch als solches?
Nein, ich sehe eine Vervielfältigung. Wir erleben im Moment einen großen Wandel im Bereich Hörbuch, was aber eine ganz logische Entwicklung ist. Das Zeitalter der CD ist einfach vorbei. Ebenso wie die Kassette verschwunden ist, wird auch die CD verschwinden, allerdings nicht durch ein neues Medium ersetzt werden. Es wird Hörbücher in Zukunft nur noch in digitaler Form geben, ohne dass der Buchhandel für den Verkauf eine Rolle spielen wird. Selbiges wird mit den Filmen passieren. Es gibt zwar noch DVDs, welche wir auch verkaufen, jedoch wird weder dieses Medium, noch die Blu-ray-Disk in Zukunft noch eine große Rolle spielen. Die technische Entwicklung läuft dem entgegen. Das ist auch ein Generationenthema, zu dem jeder unterschiedlich steht. Ich selbst sehe die Entwicklung dabei nicht als verwerflich an.
Bei Büchern ist es dagegen ganz anders. Wir verkaufen bereits seit 15 Jahren E‑Books, unser Onlineshop hat seine Pforten 1996 geöffnet. Ich habe mich mit Verlagen schon über Datenautobahnen unterhalten, als wir noch mit wenigen Megabit unterwegs waren. Das war zwar etwas mühsam, funktionierte aber auch. Auf jeden Fall habe ich die Entwicklung im E‑Book-Bereich immer skeptisch gesehen, da sowohl die Gewinnmargen sehr klein sind, als auch das haptische Verkaufen nicht stattfindet. Bei uns ist das E‑Book ein Zusatzprodukt, das heißt, wir teilen unseren Kunden zwar mit, dass wir E‑Books verkaufen, verweisen dabei allerdings immer gerne auf das handfeste Medium Buch. Der E‑Book-Verkauf findet zwar statt, hab mit Blick auf unseren Gesamtumsatz aber keinen großen Stellenwert.
Was ist ein typisches Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?
Das einzige Thema, das mir einfallen würde, ist die nachlassende Frequenz. Für dieses Problem suchen momentan mit Sicherheit viele Buchhändler eine Lösung. Ich bin der Meinung, man muss für seine Klientel, seine Kundschaft, seine Buchkäufer kämpfen. Um diesen einen Mehrwert zu bieten, muss man etwas tun. Damit meine ich nicht, Kaffee oder sonstige Nonbook-Artikel anzubieten, sondern wirkliche Interessensbekundung mittels Veranstaltungen. Wir selbst veranstalten im Jahr circa 70 Lesungen, was für eine Buchhandlung unserer Größe vergleichsweise viel ist. Mit unserem Veranstaltungsprogramm sprechen wir alle Interessensgebiete an, bedienen unterschiedliche Klientel. Nur aus der Politik halten wir uns raus, denn ich persönlich bin der Meinung, dass eine Buchhandlung kein politischer Ort ist. Man kann Politik darlegen und Bücher zum Thema handeln. Letzteres tun auch wir. Was wir dabei allerdings ausgrenzen, sind die extremen Bereiche, und zwar rechts und links.
Wie und wodurch hat sich Ihre Arbeit in den letzten Jahren verändert?
Die Digitalisierung spielt dabei eine große Rolle. Momentan vollzieht sich bereits der nächste Wandel. Wir müssen beginnen, den Social-Media-Bereich anders zu betrachten. Der Schwerpunkt geht weg vom Text, hin zum Bild. Da muss man natürlich genau hinsehen und sich fragen, wo man mitspielen kann. Darüber hinaus müssen wir unsere Website anpassen, die inzwischen doch veraltet wirkt. Im nächsten Jahr wird ein Relaunch erfolgen. Darüber hinaus müssen wir im E‑Procurement-Bereich verstärkt arbeiten, also im Business-to-Business und im Business-to-Consumer-Geschäft. Denn auch das Großkundengeschäft ist für uns sehr wichtig, weshalb wir es uns nicht abnehmen lassen sollten. Es gibt viele starke, große Player am Markt, die in diesen Hinsichten einfach über ganz andere Möglichkeiten verfügen. Das sind die Bereiche, in denen wir noch sehr hinterher sind und sehr viel Geld ausgeben, damit wir auch in Zukunft leistungsfähig bleiben.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Buchmarktes und die Ihrer Buchhandlung in den nächsten zehn Jahren?
Ich habe den Wunsch, dass wir in dieser Form weiterexistieren und uns auch neuen Anforderungen stellen können. Allerdings kommt die Suche nach einer Antwort auf diese Frage ein Stück weit dem Lesen in der Schneekugel gleich. Vor zehn Jahren wusste ich nicht, was in zehn Jahren sein wird. Jetzt weiß ich es, und ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach sein würde. Zwar hat der Markt primär im technischen Bereich neue Herausforderungen entwickelt, allerdings ist dieser Wandel für uns bisher relativ problemlos vonstatten gegangen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in relativ kurzer Zeit elektronische Verkaufsberater haben werden. Außerdem muss es Videokanäle geben, über die man mit den Kunden über Bücher sprechen kann – auch wenn ich weiß, dass unsere Branche so etwas gern ablehnt. Es wird sich im Lieferbereich viel verändern. Schließlich kann es nicht sein, dass nur die großen Player auf dem Markt in Großstädten innerhalb von zwei Stunden liefern. Das wird auch der regionale Buchhandel schaffen. Man muss manchmal auch über eigene Schatten springen, um sich anschließend mit von Stolz geschwellter Brust hinstellen und sagen zu können: »Wir sind das, wir können das, wir machen das.«
Wie behaupten Sie sich gegen Branchenriesen wie Thalia, Hugendubel und Amazon? Funktioniert eventuell sogar eine Art der Zusammenarbeit, anstelle sich nur behaupten zu müssen, oder stellt sich das eher als schwierig dar?
Ich denke, das hängt jeweils vom Standort und damit den Wettbewerbsbedingungen einer Buchhandlung ab. In Erfurt ist es so, dass wir im Buchhandelsbereich vielleicht doch eher die ‚Großen‘ sind und dementsprechend von anderen Kollegen als Bedrohung betrachtet werden. Wir sehen uns so nicht. Ich vermute, dass es bei den Filialisten teilweise ähnlich ist; dass ein Filialist auf die vielen kleinen Buchhandlungen schaut, ihre Existenz anerkennt und sagt: »Sie stören mich nicht.« Man selbst empfindet die Filialisten natürlich trotzdem als Bedrohung. Wir haben jedoch gelernt, mit unseren Kollegen hier in Erfurt umzugehen. Wir rufen auch, wenn uns mal ein Buch fehlt, an und lassen es von einem Mitarbeiter für unseren Kunden holen. Schließlich liegen wir auch nur 600 Meter voneinander entfernt. Es gibt also, sagen wir, eine Koexistenz, die gut funktioniert. Deshalb bin ich bezüglich der anderen Buchhandlungen in der Stadt der Meinung, dass jede für sich ihr Bestes geben kann. Wir zum Beispiel führen eine gute sortierte juristische Abteilung und haben eine bessere Reiseabteilung als Hugendubel. Das sind Bereiche, die uns persönlich wichtig sind. Darunter fällt ebenso die Kinderliteratur, welche in Erfurt darüber hinaus von der Fachbuchhandlung auf der Krämerbrücke hervorragend vertrieben wird. Alles läuft also gut nebeneinander, solange jeder eigene Aspekte zu setzen vermag, die ihn unverwechselbar machen.
Wie und wo erfahren Sie von neuen Büchern? Nach welchen Kriterien wählen Sie aus der Fülle der Neuerscheinungen aus?
Da gibt es zwei Geister in meiner Brust. Zum einen muss man natürlich die Verkäuflichkeit und den möglichen Gewinn berücksichtigen. Zum anderen möchte man wiederum Literatur neu entdecken und bestimmte Bücher seinen Kunden unbedingt ans Herz legen. Das eine funktioniert nicht ohne das andere, da man sich das eine ohne das andere nicht leisten kann.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Bestsellerlisten? Halten Sie sich an diese, indem Sie ein Regal mit Ihnen bestücken?
Wir haben eine große Wand, auf der alle drei Spiegel-Bestsellerlisten stehen, sowohl im Hardcover wie auch im Taschenbuch. Diese Listen haben ihre Berechtigung. Ich bin nicht der Meinung, dass sie nur Verkaufszahlen und nicht den Kundengeschmack widerspiegeln, denn wir geben unsere Daten auch an den Spiegel und lassen sie mit auswerten. Das Ergebnis ist schon ziemlich stimmig, wenn auch bestimmt nicht in jedem Teil der Republik. Außerdem halte ich die Listen für wichtig, um den Kunden eine Orientierung zu bieten. Parallel dazu sollte man als Buchhandlung natürlich immer auch noch seine jeweils eigenen Bestseller haben. Wir fertigen selbst Kataloge an. Diese Kataloge spiegeln dann unsere eigenen Interessen stärker wieder, wodurch wir den Kunden neben den Bestsellerlisten auch unsere persönlichen Vorlieben besser vermitteln können.
Welche Rolle spielt regionale Literatur in Ihrer Buchhandlung?
Eine sehr, sehr große Rolle. Eben gab es erst die Glücksorte in Erfurt. Wir promoten so etwas dann auch, indem wir mit einer Anzeige ins Stadtmagazin gehen. Die Bücher werden prominent an der Kasse und in der jeweiligen Abteilung gezeigt. Wir haben auch verschiedene Festivals, bei denen regionale Literatur eine Rolle spielt. Damit haben wir großen Erfolg. Wir stellen das Jahrbuch für Erfurter Geschichte bei uns vor, wir haben regionale Autoren, die mit fast jedem neuen Buch zu uns kommen. Dabei verdienen wir natürlich auch Geld, vor allem jedoch lautet unser Motto »Peterknecht ist Erfurt« – und das leben wir auch. Deswegen gehört es selbstverständlich mit dazu, dass wir auch einige eher ungewöhnliche und spezielle Bücher im Verkauf haben – beispielsweise zur Erfurter Mundart.
Funktioniert diese regionale Orientierung auch über eine Zusammenarbeit mit der Stadt oder lokalen Vereinen?
Meistens begehen wir diesen Weg eher allein, da sich das Ganze sonst in meinen Augen oft zu sehr zerfasert. Wir arbeiten gerne mit der Bibliothek, dem Kulturquartier und verschiedenen Firmen in der Stadt zusammen, vor allem in Verbindung mit unseren Festivals. Die meisten Lesungen können wir jedoch in unserem Haus selbst veranstalten – wir haben eine Kapazität von bis zu zweihundert Personen -, weshalb der, sonst oft benötigte, zweite Ort für Lesungen für uns nicht besonders wichtig ist.
Veranstalten Sie Lesungen auch mit Thüringer Autorinnen und Autoren? Wie finanzieren Sie diese und welchen praktischen Nutzen hat eine solche Lesung für Sie als Buchhändler?
Zum ersten Teil der Frage, ja. Wir haben ein lokales Programm an Lesungen, beispielsweise über die Zusammenarbeit mit regionalen Autoren, die Vorstellung der Kriminalakte Thüringen oder von Erfurt für Klugscheißer in einem Biergarten. Darunter fallen sowohl spezielle als auch breit wirksame Veranstaltungen. Wir versuchen viele Bereiche abzustecken.
Die Frage, ob sich eine Lesung lohnt, ist interessant. Ich habe zum Beantworten dieser Frage eine Tabelle, welche hinten über eine Spalte verfügt, die entweder rot oder schwarz ist. Wenn ich alles mit einrechne, inklusive Personal und sonstigen Ausgaben, lande ich am Ende zu 60 Prozent bei einer roten und zu 40 Prozent bei einer schwarzen Zahl. Diese 40 Prozent machen allerdings mindestens 80 Prozent des Gewinns bei den Lesungen aus. Das hängt auch damit zusammen, dass wir teilweise sehr bekannte Schriftsteller einladen können. Wenn dann Thomas Gottschalk oder Otto Waalkes hier sind, funktioniert das Ganze von allein.
Ansonsten lohnt sich eine Lesung immer, da jede Lesung auch immer Werbung für die Buchhandlung ist. Und die lokale Presse nimmt uns zur Kenntnis. In Erfurt ist das nicht so leicht, da es neben uns die Herbstlese gibt.
Gibt es eine Zusammenarbeit mit der Erfurter Herbstlese?
Ich habe es vor einigen Jahren aufgegeben, mich um eine Kooperation zu bemühen.
Apropos Festivals: Sie veranstalten die Erfurter Kinderbuchtage. Seit wann gibt es sie und haben Sie Unterstützer für die Kinderbuchtage?
Die Erfurter Kinderbuchtage veranstalten wir seit über zwanzig Jahren. Dabei handelt es sich um ein Projekt, das uns besonders am Herzen liegt. Mit meinen eigenen Kindern habe ich auch viele andere Kinder mit den Kinderbuchtagen groß werden sehen. Es ist immer wieder schön, wenn die Kinder von einst, heute teilweise schon Mütter und Väter, wiederum ihre eigenen Kinder mit zu den Kinderbuchtagen bringen. Das ist jedes Mal ein Erlebnis.
Wir arbeiten dabei mit vielen Kooperationspartnern zusammen. Darunter die »Thüringer Allgemeine«, die uns in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, die Stadtwerke Erfurt als Hauptsponsor sowie andere Sponsoren als zusätzliche Geld- und Ideengeber. Nur aus der eigenen Leistung heraus würde das Ganze nicht funktionieren. Denn wir nehmen sehr geringe Eintrittsgelder, zwischen einem und drei Euro, damit kann man nichts finanzieren. Wir zahlen an die Autoren normale Gagen, haben mit dem Hotel Zumnorde einen Sponsor, bei dem die Autoren übernachten können. Das hilft uns sehr. Seit acht Jahren arbeiten wir jeweils nur mit einem Verlag zusammen. Das hilft insofern, als dass wir so alle wichtigen Autoren aus dem Verlag für die Kinderbuchtage bekommen. Für den Verlag ist das auch eine Aufgabe. Und trotzdem ist es inzwischen so, dass nicht mehr wir uns um Verlage bemühen müssen, sondern sich die Verlage bei uns bewerben. Das zeigt, dass die Kinderbuchtage inzwischen von überregionalem Interesse sind. Soweit ich weiß, verfügt keine andere Buchhandlung über ein ähnliches Format. Die Kinderbuchtage machen zwar sehr viel Arbeit, sind jedoch jedes Mal ein Erfolgserlebnis, vor allem wenn man die Kinder lächeln sieht.
Außerdem leisten wir damit einen erheblichen Beitrag zur Leseförderung. Wir lassen die Kinder ihre Lieblingsbücher bestimmen. Vor zwei Wochen konnten wir so die Schmökerhits für 2019 an die Kinder übergeben, welche dieses einmalige Ranking in Deutschland für uns erarbeiten. Mit allen Autoren gehen wir neben den öffentlichen Lesungen auch in Schulklassen. Dadurch lesen mitunter sehr bekannte Autoren, die sich einzelne Schulen nicht leisten könnten, vor Schulklassen.
Glauben Sie, dass es heute besonders wichtig ist, sich für eine lesende Jugend zu engagieren?
Ich halte es für sehr, sehr wichtig, da wir festgestellt haben, dass das Buch im Portfolio der Freizeitbeschäftigungen keine so große Rolle mehr spielt wie noch vor zehn Jahren. Heute sind andere Dinge wichtig. Dabei stellt sich nicht die Frage, wie viele Bücher man hat oder kauft, sondern ob man Bücher hat oder kauft. Man muss das Leseerlebnis fördern und sich dabei auch auf die Kinder und die Art, wie sie Texte konsumieren möchten, einlassen. Ob sie es mit Bildern zum Text oder an einem Bildschirm machen möchten, egal wie, es geht darum, das Kino im Kopf zu erzeugen. Das ist in meinen Augen das Wichtigste. Das ist unser Hauptanliegen.
Als Mitwirkender an der Erfurter Kinder-Universität habe ich selbst mitbekommen, dass Sie in diesem Rahmen mit der Universität Erfurt zusammengearbeitet haben. Gibt es generell eine engere Kooperation mit der Uni oder der FH?
Bei den Kinderbuchtagen arbeiten wir inzwischen schon seit dreizehn Jahren mit der Grundschulpädagogik der Universität Erfurt zusammen. Dabei unterstützen uns vor allem die Erstsemester. Das heißt also auch, dass die Studierenden sich erstmalig mit Kindern auseinandersetzen, neben der Theorie oft erste Praxiserfahrungen machen. Die Studierenden helfen uns bei unserer großen Kinderbuchparty, fahren auch mit in der Straßenbahn und partizipieren an anderen, besonderen Aktionen. Die Zusammenarbeit ist hervorragend und macht viel Freude. Es ist ein gesundes Miteinander. Darüber hinaus hilft uns natürlich auch das Sponsoring der Uni Erfurt bei der Ausrichtung der Kinderbuchtage.
Auch ansonsten arbeiten wir sehr eng mit beiden Hochschulen, Universität und FH, zusammen. Zum Beispiel gestalten wir die Erstsemesterbeutel, außerdem gibt es von uns jedes Jahr für jeden Studenten einen Collegeblock. Wir kümmern uns natürlich auch darum, dass die Bücher, die uns die Dozenten für ihre Seminare nennen, immer bei uns auf Lager sind.
Bemerken Sie Studierende als Kunden?
Der Studierende kommt in die Buchhandlung, wenn er etwas Konkretes braucht. Das sind meistens die Sprachen, manchmal auch bestimmte philosophische Texte. Da es an den meisten Hochschulen jedoch inzwischen fertige Skripte gibt, ist der Verkauf an Hochschulliteratur enorm zurückgegangen. Wir merken die Semesteranfänge zwar sehr deutlich, richten uns auf sie ein, jedoch wird die studentische Nachfrage nach Literatur von Jahr zu Jahr weniger.
Wie stellt sich das Spektrum Ihrer Kunden in Hinblick auf das Alter dar?
Ich müsste jetzt sagen, es kommen alle und fühlen sich wohl. Aber leider ist das nicht der Fall. Unser Sortiment spricht zwar grundsätzlich alle Altersgruppen an, jedoch, wenn man ehrlich ist, bewegt sich unserer Hauptkundschaft mehr im Bereich Dreißig bis Achtunddreißig und dann wieder ab Fünfzig. Das ist in etwa unsere Zielgruppe. Wen wir nicht erreichen, das sind junge Menschen ab achtzehn Jahre. Das merken wir in verschiedenen Bereichen. Natürlich ist das kein Ausschlusskriterium, auch für diese Altersgruppen bieten wir Bücher an. Jedoch bemerken wir in der Altersstruktur unserer Kundschaft, dass sehr viele jugendliche Mädchen nur bis sechzehn, siebzehn, Jungen oft nur bis fünfzehn in die Buchhandlung kommen. Irgendwann kommen sie jedoch alle wieder. Und sei es beim Kauf der Schulbücher für das erste Kind. Eine genaue Zielgruppe zu nennen ist also schwierig.
Kennen Sie die Thüringer Literaturzeitschrift »Palmbaum«, die der Thüringer Literaturrat e.V. gemeinsam mit der Thüringischen Literarhistorischen Gesellschaft Palmbaum e.V. zweimal im Jahr herausgibt?
Ja, ich kenne den »Palmbaum«. Ich halte ihn allerdings teilweise für etwas zu abgehoben und zu elitär. Vielleicht sollten sich die Macher der Zeitschrift ab und zu das »hEFt« aus Erfurt holen und vergleichend danebenlegen – junge Texte, klare Texte – und den elitären Anspruch etwas nach unten schrauben. Dann würde die Auflage vielleicht etwas steigen.
Eine abschließende Frage: Welche Themen brennen Ihnen momentan auf den Nägeln?
Nichts Explizites, allerdings würde mir bezüglich des Marketings noch eine Sache einfallen. Ich hatte vorhin bereits angesprochen, dass man als Buchhändler in dieser Hinsicht immer sehen muss was man machen kann, was funktioniert. Damit meine ich zum Beispiel unser eigenes, hier frei ausliegendes Magazin. Wir fertigen es zwar zusammen mit Kollegen an, jedoch ist es mit eigenen Buchtipps, einer eigenen Serviceseite und eigenen Lesungen sehr stark individualisiert. Das halte ich noch für einen sehr wichtigen Aspekt. Außerdem haben wir einen Katalog, in dem Empfehlungen aufgeführt sind. Während ersteres dreimal im Jahr erscheint und damit aktueller ist, ist unser Katalog eher wie Ikea Katalog, welcher nur halbjährlich erscheint. So etwas kann man allerdings nicht allein bewältigen. Auch hier ist es wichtig mit Buchhandlungskollegen zusammenzuarbeiten. Daneben geben wir noch einen Kinderliteraturführer heraus. Unser KiLiFü ist zwar allgemein erhältlich und ganz einfach eingekauft, jedoch für uns individualisiert. So können wir das Thema Kinderliteratur, das uns sehr am Herzen liegt, noch ein bisschen besser nach außen tragen.
Herr Peterknecht, ich danke Ihnen für das Gespräch.
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