Thema
Jens-F. Dwars
Erstdruck in: Palmbaum 2/2022. Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Jens‑F. Dwars
Was für ein Debüt
1989 in Schwedt an der Oder geboren und in einem Pfarrhaus der Uckermark aufgewachsen, war Friederike Haerter 2015 Preisträgerin beim Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen.
2017 erhielt ich erstmals Gedichte von ihr und war erschüttert: nicht, weil sie schwach waren, keine untereinander gesetzte Prosa, die uns oft von jungen Autoren als vermeintlich moderne Lyrik zugesandt wird. Nein: hier standen wirkliche Verse, Verdichtungen von Erlebtem, von wahrhaftigen Empfindungen und Gedanken.
Wobei das Wahrhaftige die lebendigste Fantasie einschließt, ihre Entfesselung geradezu verlangt. Dichter müssen lügen, um uns ihre Wahrheiten erfahrbar zu machen.Aber diese Lüge muss eine eigene Schöpfung sein, nichts Vorgemachtes, nichts Ausgeborgtes, dann hat sie ihre eigene Lebenskraft, ihre eigene Schönheit.
So sind die Gedichte von Friederike Haerter, die mittlerweile in Paris lebt und uns von Zeit zu Zeit ihre Verse sendet. Deren kraftvollste erschienen 2017, 2019 und 2020/21 im Palmbaum. Und die finden sich nun auch in ihrer ersten Gedichtsammlung, einem späten Debüt, aber was für einem!
Diese Gedichte vereinen poetische Ausdruckskraft mit einer Zartheit, die fein und präzise, leidenschaftlich und kalt zugleich ist.
So in kleine Tiere, einer Erinnerung an die Kindheit: „von einem Schlag / sind du und ich / zwei kleine Körper aus Flanell / wir bilden ein Rudel / nachts wächst uns ein Fell / nachts werden wir wild / nichts schläfert uns ein / wir reißen die Schäfchen / wir sind nicht mehr klein! / … / dann leises Gebell / wir spitzen die Ohren / sträuben das Fell“
Da kommt etwas Kreatürliches zur Sprache, das jenseits von Gut und Böse in uns rumort, und in mehrdeutigen Bildern aufscheint, ohne es zu verklären.
Denn diese Autorin arbeitet an der Sprache, wie sie in ihrem Nachwort bekennt: erst allmählich trete dass „Gesicht eines Gedichts“ zutage. Dabei „behaue“ sie „weniger Schrift- als vielmehr Klangmaterial“. Sie spreche die Gedichte, nehme sie auf, und höre sie sich mit Abstand wieder an.
So muss es sein: Gedichte sind nicht scheingeniale Einfälle des Augenblicks. Je leichter sie scheinen, desto schwerer sind sie erarbeitet.
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