Personen
Johann Heinrich Wilhelm Treunert
Ort
Thema
Patrick Siebert
Detlef Ignasiak: Das literarische Thüringen, Bucha 2018.
»Eine liebliche Hügellandschaft, die letzten Ausläufer des Thüringer Waldes, betteten das Städtchen in einen sanften Talkessel«, so beschreibt Gustav Falke (1853–1916) in »Die Stadt mit den goldenen Türmen« von 1912 die Lage Hildburghausens. Noch heute liegt die ehemalige Residenzstadt der Herzöge von Sachsen-Hildburghausen, einer Nebenlinie von Sachsen-Gotha, mitten im Grünen. Die Geschichte der heutigen Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises begann nicht erst mit der ersten urkundlichen Erwähnung 1234, sondern reicht bis in die Zeit vor 900 zurück, als hier eine fränkische Siedlung gegründet wurde. Nach einer Reihe von Besitzwechseln fiel Hildburghausen 1572 an die ernestinischen Herzöge von Sachsen-Coburg. Im selben Jahr sorgte ein Orkan für große Verheerungen in der Stadt. Beim Wiederaufbau der Stadt entstand das heutige Rathaus im Renaissancestil von 1594. Schloss Hildburghausen, 1685–1695 als Residenzsitz der Fürsten von Sachsen-Hildburghausen errichtet, wurde 1945 durch amerikanischen Beschuss derart stark beschädigt, dass es abgetragen werden musste. Der Schlosspark besteht bis heute. Mit der Ansiedlung von Hugenotten ab 1710 veränderte sich mit der Anlage der Neustadt nicht nur die Struktur der Stadt, auch das gewerbliche Leben wurde durch die Einführung von Woll- und Strumpfwirkereien belebt.
Das größte Mysterium der Stadtgeschichte rankt sich um die Person der »Dunkelgräfin«. 1807 stieg im »Gasthaus zum Englischen Hof« eine tief verschleierte Dame ab, ohne ihre Identität preiszugeben. Begleitet wurde sie von Cornelius van der Valck.Wer aber war sie? Vermutet wird, dass es Marie Thèrése Charlotte de Bourbon, eine Tochter Ludwigs XVI, gewesen sei. Sie lebte zurückgezogen bis zu ihrem Tod 1837 in Hildburghausen und dem nahen Einhausen. Bis heute lässt die Frage ihrer Identität den Hildburghäusern keine Ruhe. Ihre Person inspirierte mehrere Schriftsteller. Ludwig Bechstein (1801–1860) schrieb 1854 »Der Dunkelgraf«, Albert Emil Brachvogel (1824–1878) verfaßte 1871 »Das Rätsel von Hildburghausen« und Kurt Kluge (1886–1940) nahm 1939 in seiner Erzählung »Nocturno« die Zurückgezogenheit und Anonymität des Paares als literarischen Stoff auf.
Eine Herzogin, deren Name bekannt ist und bis heute für die Förderung der Kultur in der Stadt steht, ist Charlotte von Mecklenburg-Strelitz (1769–1818), die 1785 in die Stadt kam und hier ein »Klein-Weimar« schuf. Im Mai 1799 kam auf ihre Einladung hin Jean Paul (1763–1825) nach Hildburghausen und verliebte sich postwendend in die Hofdame Karoline von Feuchtersleben, mit der er sich verlobte. Als die Standesunterschiede, die einer Heirat im Wege standen, ausgeräumt waren, entlobte er sich von Karoline, nur um ein Jahr später in Berlin Karoline Meyer zu ehelichen. Charmant lässt er sich über die Herzogin, der er den »Titan« (1800–1803) widmete, aus: » Ihr Kopf ist für mich so schön, dass ich immer vergesse, dass ein Fürstenhut darauf sitzt«.
Ein wegweisendes Projekt wurde in Hildburghausen 1818 von Carl Ludwig Nonne (1785–1853) und Carl Hohnbaum (1780–1855) mit der »Dorfzeitung« initiiert. Ihr gleichsam unterhaltsames und religiös-kritisches Wochenblatt war ein großer Publikumserfolg, woran bekannte Beiträger wie Friedrich Rückert (1788–1866) und Friedrich de la Motte-Fouqué (1777–1843) ihren Anteil hatten. Nonne selbst schrieb unter Pseudonym für das Blatt, gleichzeitig fungierte er als herzoglich eingesetzter Zensor. Mit dem Ende der herzoglichen Herrschaft verlor auch die »Dorfzeitung« ihre Bedeutung. Die Redaktion befand sich bis 1886 im Eckhaus Moritz-Mitzenheim-Straße/Schleusinger Straße. 2008 wurde es abgetragen.
Als »Sphinx von Hildburghausen« bezeichnete man Friedrich Sickler (1773–1836), den ersten Rektor des Gymnasiums Georgianum. Er entdeckte 1833 in der Nähe von Hildburghausen Saurierspuren, woran heute das das Chirotherium-Denkmal am Rathaus erinnert. Als wissenschaftlicher Autor machte er sich mit dem 1811 erschienen » Plan topographique de la Campagne de Rome« einen Namen.
Friedrich Rückert (1788–1866) kam oft nach Hildburghausen, da seine Vorfahren väterlicherseits aus der Stadt stammen. Sein Großvater Johann Michael Rückert (1731–1793) war hier Inspektor im Zucht- und Waisenhaus und sein Vater Johann Adam Rückert (1763–1831) lebte hier bis zu seiner Heirat 1787. Die Verwandtenbesuche nutzte er zum Schreiben von Gedichten. Hier entstanden unter anderem »Zum Empfang der rückkehrenden Preußen« und »Mit drei Moosrosen«. 1810 nahm man Rückert in Hildburghausen in die Freimaurerloge »Karl zum Rautenkranz« auf. Sein enger Freund Carl Barth (1787–1853) kam 1830 nach Hildburghausen. Barth, den Rückert in seinen Briefen stets mit dem zum geflügelten Wort gewordenen Gruß »Mein lieber Freund und Kupferstecher!« ansprach, schrieb mit seiner Erzählung »Federzeichnungen nach dem Leben von einem alten Kunstjünger« (1840) ein Bild der Stadt im Biedermeier.
Mit dem Namen Joseph Meyer (1796–1856) verbunden ist das »Große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände« (50 Bände, 1839–1855). Meyer kam 1828 mit seinem »Bibliographischen Institut« nach Hildburghausen. Seine Klassiker-Ausgaben machten die Dichter populär und zugänglich. Das Wohn- und Verlagshaus »Brunnquellsches Haus«, an der Oberen Marktstraße 44 gelegen, dient heute als Volkhochschule und Musikschule. Im Stadtmuseum in der Apothekergasse 11 zeigt die Ausstellung »Joseph Meyer und das Bibliographische Institut« alle von 1828–1874 in Hildburghausen erschienen Bücher des Verlages.
Als Lehrling der Kesselringschen Buchhandlung am Markt 14 kam Gustav Falke 1872 in die Stadt. In dem bereits zitierten Roman »Die Stadt mit den goldenen Türmen« von 1912 zeichnet er ein anschauliches Bild von der Kultur im alten Hildburghausen. Als Erforscherin der »Dunkelgrafen«-Geschichte hat sich Helge Rühle von Lilienstein (1912–2013) hervorgetan. Dabei ist unter anderem das 2000 erschienene Buch »Dunkelgraf und Dunkelgräfin im Spiegel von Zeitgenossen und Mitwissern« entstanden. Aus Hildburghausen stammt Günther Deicke (1922–2006), der als Lyriker und Herausgeber von Anthologien, wie dem »Deutschen Gedichtbuch« (1959) wirkte. In seinem frühen Band »Geliebtes Land« von 1954 thematisierte er die deutsche Teilung. In späteren Werken jedoch war für ihn die Eigenständigkeit der DDR ein unumstößlicher Fakt.
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