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Katrin Lemke
Erstdruck in Palmbaum 1/2019.
Gelesen von Katrin Lemke
Gelesene Biografie
Einen Text zu hören, setzt andere Vorstellungen in Gang, als ihn zu lesen. Schon überhaupt, wenn die Lesestimme der Verfasserin gehört, die uns Passagen aus zwei ihrer letzten Arbeiten vorträgt. Beides sind biografische Studien, die gegen das Vergessen angehen. Die erste folgt der Lebensspur der Goethefreundin und Weimarer Hofschauspielerin Corona Schröter, die zweite geht der des Ludwig Bamberger nach, der als deutscher Parlamentarier und streitbarer Demokrat mit jüdischen Wurzeln bis in die Nähe Kaiser Friedrichs des III. und also in höchste politische Kreise vordrang.
Was beim Hören zuerst auffällt, ist der gedämpfte Tonfall, die gelassene und geduldige Lesart. Der Stimme Rosemarie Schuders hört man ihr Alter an, die Sicherheit umfassender Kenntnis, die Hingabe an ihr Sujet. Ein bisschen klingt erfreulicherweise auch die Jenaer Herkunft der Autorin durch. Wie schön, dass der Gubener Verleger Andreas Peter diese Lesungen der im Mai 2018 Verstorbenen als Aufzeichnungen bewahrt hat und nun einer interessierten Zuhörerschaft zu Ohren bringt. Seine einleitenden Worte und die Gitarren-Intermezzi geben der Hörstunde Struktur und Atmosphäre.
Besonders auf die Lebensgeschichte der Corona Schröter sei hier aufmerksam gemacht, die im Umfeld von »Jena-Weimar, der großen Stadt« auf besonderes Interesse stoßen sollte. Die Darstellung erweitert die breite Palette biografischer Bilder aus dem Umfeld Goethes um ein weiteres Porträt, was als willkommene Bereicherung erscheinen muss, denn viel bekam man noch nicht zu lesen über die Sängerin, Schauspielerin, ja sogar Komponistin. Ausgehend von einem – liebevoll ironisch gemeinten – poetischen Bild, dem des Gottes Apoll, der am 14. Januar 1751 über Coronas Geburt in der Stadt Guben hoffnungsverheißend geschwebt haben mag, entwickelt die erprobte Biografin faktenreich und anregend das Leben der begabten und umschwärmten Künstlerin. »Die Vorstellung, der Gott der Musik habe aus dem Himmel über der Stadt an der Neiße zielbewusst diesem Kind seinen Segen geschenkt, scheint […] allzu schwärmerisch zu klingen. Jedoch auf meinen Wegen zu Corona Schröter erschien es mir wie eine überraschende Bestätigung […].« Rosemarie Schuder erzählt von der Herkunft Coronas aus den bescheidenen Verhältnissen einer Gubener Musiker- und Schuhmacherfamilie, vom Weg der talentierten Schönen an den Weimarer Hof, an die Seite der bedeutsamen Männer hier, die sich ganz unterschiedlich zu ihr stellten. Die Rede ist von den bedrängenden Annäherungsversuchen Carl Augusts, denen Goethe durch eine »radikale Erklärung« gegenüber seinem Fürsten Einhalt zu gebieten versucht. Wir erfahren von der engen Freundschaft zwischen Corona und dem Dichter, die bereits in Leipzig begründet worden war. 1779 nun besetzt der Meister seine Iphigenie mit ihr, den Orest gibt er selbst. Seine »schöne Krone« nennt er die Freundin – eine nicht nur auf den klangvollen Vornamen anspielende Metapher, krönt doch tatsächlich ein großer Theatererfolg das Zusammenspiel der beiden auf der Weimarer Bühne. Das Hörbuch vermittelt uns darüber hinaus eine Vorstellung von den Mühen einer Künstlerinnen-Existenz im 18. Jahrhundert, die auch einer allseits beliebten und auf Lebenszeit angestellten Hofschauspielerin mit 400 Talern Jahresgehalt nicht unbekannt waren. Wir erfahren vom anfangs vorurteilsbelasteten Verhältnis Schillers zu Corona, von ihrem intensiven Kontakt zum Kammerherrn Anna Amalias, dem Grafen Friedrich von Einsiedel, von der Wohngemeinschaft mit ihrer Schülerin und Freundin Christiane Neumann. Auch unsere Augen kommen beim Zuhören auf ihre Kosten: zu einer ganz besonderen Zeichnung mit dem Titel »Die schlafende Corona« hatte es den begeisterten Freund Goethe hingerissen. Von ihrer Entstehung erfährt der Hörer am Schluss der Lesung.
Rosemarie Schuder setzt die überlieferten biografischen Episoden zu einem Lebensmosaik zusammen – farbig, lebendig, wirklichkeitsnah. Wieder erscheint das klassische Weimar vor unserem Blick, aber doch aus anderer Sicht, so als erhelle ein Scheinwerfer einen noch nicht ganz ausgeleuchteten Teil seiner Bühne. Und was man nun klarer, heller sieht, ist des Sehens wert. Hörenswert. Und lesenswert. Denn am Ende hat man nicht genug nach der ca. 30-minütigen Lesezeit, die dem Corona-Text gilt. Aber das ist nicht schlimm. Die vollständige und ausführliche biografische Studie, ca. 75 Seiten lang, ist ja im Buch »Goethes ›schöne Krone‹ und ihr Denkmal in Guben« nach- und weiterzulesen – zusammen mit einem ebenfalls spannenden Bericht von Andreas Peter über das Schicksal des Corona-Schröter-Denkmals in Guben.
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