Personen
Ort
Thema
Wolfgang Brauer
Erstdruck in: Palmbaum 2/2021. Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Wolfgang Brauer
Eine Lanze für Fürnberg
Diesem Dichter wurde das Leben von Feind und »Freund« zur Hölle gemacht. Er starb mit 48 Jahren an gebrochenem Herzen. Seinem Werk erging es nicht besser. Von seinen Feinden geschmäht und schließlich totgeschwiegen, von vermeintlichen Freunden selektiert und und mit vergifteten Küssen getötet, ist es heute nur schwer auffindbar.
Klar doch, »Die Partei, die hat immer recht«, werden jetzt einige abwinken. Wenige werden sich immerhin daran erinnern, dass »Alt wie ein Baum« frei nach Fürnberg zu einem Puhdys-Hit wurde. Die ungeheure poetische Kraft dieses Werkes hat zuletzt der Sänger und Poet Frank Viehweg in seinem Programm »Herbsteskommen« (2016) gezeigt.
Viehweg kommt dankenswerterweise neben vielen anderen – Dichtern, Autoren, Literaturwissenschaftlern – in einem Buch zu Wort, das Ulrich Kaufmann und Harald Heydrich herausgegeben haben. Sie versuchen den ungeheuren Schuttberg des Verleumdens und Vergessenmachens, der schon zu Lebzeiten über dem Dichter Louis Fürnberg aufgehäuft wurde, abzutragen. Der Band enthält warmherzige Würdigungen der Persönlichkeit Fürnbergs, Berichte von Zeitgenossen und Freunden, genaue und kenntnisreiche Hinführungen zum poetischen, dramatischen und fast vergessenen erzählerischen Werk Fürnbergs.
Von großem Wert sind für mich die biographischen Aufsätze. Sie spannen den Bogen von Fürnbergs antifaschistischer Arbeit im Sudetengebiet gegen die Henlein-Leute bis hin zur »letzten Zuflucht«: Volkhard Knigge, langjähriger Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, macht dies bildlich fest am Weg von Bibliothek und Arbeitszimmer des Dichters in das »Exil« auf den Ettersberg bei Weimar. An diesem Ort töteten die Faschisten 1942 Fürnbergs Bruder Walter. Als die Fürnbergs 1946 aus dem palästinensischen Exil nach Prag zurückkehrten, fanden sie von der ganzen Familie niemanden mehr am Leben.
Überhaupt die Jahre in Palästina. Ulrich Kaufmann berichtet detailliert. Die Konfrontation mit einem wütend-aggressiven Zionismus muss für den deutschen Juden, für den Böhmen die Heimat blieb, schrecklich gewesen sein. Katrin Lemke erzählt von den bitteren Enttäuschungen auch der sudetendeutschen Antifaschisten angesichts der rabiaten, seit 1943 geplanten Vertreibungen und der von den tschechischen Kommunisten nicht eingehaltenen Versprechen den eigenen Genossen gegenüber. Dass es für die noch schlimmer kommen sollte, zeigt Jan Gerber in seinem Beitrag über Fürnberg und das »Lied der Partei«. Gerber stellt das Gedicht in den Entstehungskontext. Im Mai 1949 war Fürnberg – obwohl seit 1928 Parteimitglied und eine ihrer wichtigen Stimmen im antifaschistischen Widerstand – nicht zum IX. Kongress der KPČ eingeladen worden. Er ahnte, dass dies der Auftakt zu Schlimmerem sein würde. »Es ging gegen den Deutschen«, sagte Lotte Fürnberg, und gegen den Juden, den Weltbürger. Schwarze Wolken zogen auf, die sich 1952 im Prager Slánský-Prozess entluden: 14 der Hauptangeklagten waren jüdischer Herkunft. Die Schlinge zog sich auch um den Hals der Fürnbergs zusammen.
Die 1954 erfolgte Übersiedelung in die DDR war ihre Lebensrettung. Fürnberg wurde in Weimar Stellvertretender Direktor der Nationalen Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. 1955 gehörte er zu den Mitbegründern der Weimarer Beiträge – der wohl lange Zeit bedeutendsten literaturhistorischen Zeitschrift in deutscher Sprache –, Mitglied der Deutschen Akademie der Künste und Generalsekretär der Deutschen Schillerstiftung. Eine Vielzahl von Funktionen. Kaufmann verweist zu recht darauf, dass all das für den gesundheitlich sowieso schon schwer angeschlagenen Dichter zum Kollaps führen musste. 1955 kam der erste Herzinfarkt.
Aber Fürnberg befand sich plötzlich auch mitten in den heftigen kulturpolitischen Auseinandersetzungen der stalinistisch geprägten jungen DDR, die ihren Tribut forderten. Christa Wolf erinnert an die Liste derer, die »an gebrochenem Herzen« starben: Louis Fürnberg, Bertolt Brecht, F.C. Weiskopf, Johannes R. Becher … Kaufmann weist darauf hin, dass es bei Fürnberg noch einen existenzgefährdenden biographischen Umstand gab: die Person seines Chefs Helmut Holtzhauer. Der war von 1951 bis 1954 Vorsitzender der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten, einer Institution zum »Kampf gegen den Formalismus«. Die Kommission wurde als kunstgefährdende Einrichtung aufgelöst und Holtzhauer nach Weimar abgeschoben. Kaufmann schildert, wie Fürnberg ihm im Juni 1957 die Kündigung auf den Tisch packte. Holtzhauer hatte seinen Stellvertreter einem rigiden Zensursystem unterworfen. Eine Woche später erlitt der Dichter seinen zweiten, tödlichen Herzinfarkt.
Erschütternd, dass dabei auch ein tief sitzender Antisemitismus zutage tritt. Kaufmann zitiert einen Tagebucheintrag Holtzhauers aus dem Jahre 1960 über »das jüdische Problem«, der einem das Blut stocken lässt. So hätte das auch Joseph Goebbels schreiben können.
Louis Fürnberg, der hochsensible Poet und große Menschenfreund, fand keinen Ort. Nirgends. Die Herausgeber haben einen bemerkenswerten Band zusammengetragen. Sie haben die sprichwörtliche Lanze für Fürnberg gebrochen. Freunde der Poesie sollten ihn unbedingt zur Kenntnis nehmen. Wissen um die Dinge vermag gerade in poesiefeindlichen Zeiten wie der heutigen Kraft zu geben.
›Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio
Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2025 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]
URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/ulrich-kaufmann-harald-heydrich-hg-hier-ist-ein-dichter-hoert-nur-louis-fuernberg-texte-zu-leben-und-werk/]