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Jens-F. Dwars
Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstdruck in: Palmbaum, Heft 1/2024.
Jens‑F. Dwars
Munch in Thüringen
Wer kennt ihn nicht: den »Schrei« von Edvard Munch (1863–1944) – eine Ikone der Moderne. Weniger bekannt ist, dass der norwegische Maler von 1892 bis 1908 überwiegend in Deutschland gelebt hat, vor allem in Berlin. Obgleich seine erste Ausstellung in der Reichshauptstadt ein Skandal war, fand er hier Sammler und Förderer seiner Kunst.
Einer davon war Harry Graf Kessler. Der lud ihn 1904 nach Thüringen ein. Kessler hatte van de Veldes Berufung zum Direktor der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule vermittelt und plante ein »Neues Weimar« mit dem Nietzsche-Archiv als geistigem Zentrum: eine antiwilhelminische Oase moderner Kunst und Kultur. Im Grunde sollte das ganze Großherzogtum »designt«, im Stil der Europäischen Moderne gestaltet werden. Das Porträt, das er Munch von sich malen ließ, war auch eine Werbung für dieses Projekt.
Im Herbst 1905 kam der Maler erneut nach Weimar. Im Auftrag des Bankiers Ernest Thiel sollte er ein Nietzsche-Porträt schaffen. Doch Munch steckt in seiner schwersten Krise. Selbstzweifel und Alkohol setzten dem Rastlosen zu. In Elgersburg unterzieht er sich einer Bäderkur und malt zauberhafte Winterlandschaften. Im Frühjahr 1906 malt er in Jena das Porträt des Professors Felix Auerbach. Dann folgen die Bilder von Nietzsche und dessen Schwester. Doch dazwischen sucht er erneut Erholung: in Ilmenau und vor allem im Kurbad Kösen.
Immer wieder unterbrochen von Aufenthalten in Weimar, wo Munch sich selbst malt: das Selbstbildnis mit Weinflasche zeigt ihn in der Kellergaststube des Künstlerheims. Ein erschütterndes Seismogramm der Verlorenheit. Und er malt ein zweites Mal Graf Kessler, der soeben gescheitert war. Munch zeigt ihn als Souverän: stolz und gefasst.
Anfang 1907 kehrt der Maler nach Berlin zurück, um einen Bilderfries für Max Reinhardt auszuführen. Von den Thüringer Erlebnissen zeugen ein paar seiner besten Bilder. Das alles aufgearbeitet hat Volker Wahl. Der vorliegende Band vereint seine bislang verstreut publizierten Munch-Forschungen seit 1988. Auch wie er damals, als DDR-Bürger, zu einem Munch-Stipendium der Stadt Oslo kam, berichtet der exzellente Archivar. Das Buch ist reich illustriert – nur leider das Layout unglücklich: mit verschachtelten Bildchen ohne Gesamtgestaltungswillen, Munch nicht angemessen.
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