Personen
Orte
Thema
Jens Kirsten
Erstdruck in: Palmbaum - literarisches Journal aus Thüringen 2-2019.
Gelesen von Jens Kirsten
Was verborgen ruht
Dass sich Lesende strikt in Prosa- und Lyrikleser einteilen lassen, wäre eine kühne Behauptung. Sicher gibt es Vorlieben für die eine oder die andere Form. Und es gibt mannigfache Zugänge zu Lektüren. Wolfgang Haak hat für sich die poetische Prosa in Kurzform entdeckt. 2001 wurde er für seinen Band »lebensumwege« mit dem Reinheimer Satirelöwen für satirische Kurzprosa ausgezeichnet.
In seinem gerade im Axel Dielmann Verlag erschienenen Band »Wortstillleben« beweist Haak, wie er diese Form in den letzten Jahren verfeinert hat. Ich empfehle den Lesern des Bandes, von dem alten Brauch, Bücher von der ersten bis zu letzten Seite zu lesen, getrost abzuweichen und auf Seite 83 mit den »Zehn Albumblättern für einen Gelbspötter« zu beginnen. Die zehn Gedichte bieten den besten Einstieg in Haaks Poetologie, die in der Verbindung menschlichen Daseins mit der den Menschen umgebenden Welt gründet. Dabei geht es zunächst nicht um die große, sondern um die Welt im Kleinen.
Die wenigsten wissen heute überhaupt, wie das Lied eines Gelbspötters klingt, noch würden sie ihn wahrnehmen, flöge er just an ihrer Nase vorüber. Haak ist immer auf der Suche nach der Schönheit, sprich der reinen Poesie: des Augenblicks, der Welt, die sich unmittelbar vor seinen Augen und Füßen bietet. En passant streut er literarische Bezüge ein, die gleichermaßen mit besagter Landschaft verbunden sind wie mit seinem poetischen Kosmos. Aus seinen Eindrücken und (Lese-) Erfahrungen webt er ein lyrisches Netz, das mal Gedicht, mal poetische Prosa ist.
Mit dem anschließenden Kapitel »Dornburger Bagatellen« nimmt er seine Leser auf eine fußläufige Reise durch Thüringen mit, jenseits plakativer und theatralischer Höhepunkte. »Mein Tagwerk beschließe ich Wort für Wort als Streckenläufer auf abschüssiger Lebensbahn« heißt es an einer Stelle, die programmatisch für sein Denken und Schreiben ist. Mit offenen Augen und wachen Sinnen durch die Landschaft gehen und in poetischer Verdichtung mit der Welt in Austausch treten, heißt des Dichters Credo. Meist nimmt Haak sich dessen an »was verborgen ruht«, sei es auf einem Weg durch das Saaletal im Weichbild von Jena oder über den alten Gleisberg, wo im Frühling wilde Pfingstrosen blühen. Zwischen Dornburg und Jena findet er einen Rückzugsraum, aus dem er Kraft schöpft und in literarischer Umsetzung weitergibt.
Wer mag, wählt nun vielleicht die eingangs zu findenden Gedichte, die der Autor für seine Kinder schrieb und folgt ihm dann auf mancherlei Reiseweg. Ob in Stuttgart, Salzburg, in Lissabon oder Südfrankreichs Dörfern, Haak erweist sich stets als genauer Beobachter der kleinen Welt, die sich hinter dem lärmenden Trubel der Städte und touristischer Attraktionen verbirgt. Sein Band sei allen zur Lektüre sehr empfohlen, die sich für diese Art der Weltbetrachtung interessieren.
›Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio
Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2024 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]
URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/wolfgang-haak-wortstillleben-gedichte-und-kurze-prosa/]