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Lutherstätte Augustinerkloster
Thema
Patrick Siebert
Detlef Ignasiak: Das literarische Thüringen, Bucha 2018.
Mit der Einrichtung des Bistums Erfurt durch Bonifatius 742 und die Anlage des Domes auf dem Marienberg war die kulturelle Entwicklung der Stadt für Zeit des Mittelalters vorgezeichnet. Bonifatius, der in einem Brief an Papst Zacharias II. die Beurkundung und damit die rechtliche Absicherung der Bildung der Diözese erbittet, bezeichnet den Ort als »eine Stadt ackerbautreibender Heiden«. Heute erinnert eine überlebensgroße Figur aus dem Jahre 1330 am Triangelportal des Domes an dem Mann, der den Startschuss für die Kulturgeschichte Erfurts gab.
Das auf dem Petersberg gegründete Peterskloster geht möglicherweise auf die Zeit der Bistumsgründung zurück, wird aber erst ab 1060 urkundlich erwähnt. Als Schreibstätte war es dank seiner kunstvollen Buchmalereien im 11. Jahrhundert weithin bekannt. Unter Abt Werner I. wird das Kloster in den Jahren 1127–38 zu einem Zentrum der Wissenschaften. Heute ist die in diesem Zeitraum niedergeschriebene »Erfurter Peterschronik« ein wichtiges Quellenwerk der Reichsgeschichte.
Im Jahr 1179 hält sich Friedrich I. Barbarossa (um 1122–1190) zu einem Reichstag im Kloster auf, der mit der Unterwerfung des Welfen Heinrichs des Löwen (um 1129/30–1195) historisches erlebte. Mit den bereits im 12. Jahrhundert eingerichteten Schulen der Kollegiatskirchen St. Marien und St. Severi beginnt Erfurts Tradition als Schulstadt. Zusammen mit den Stiften der Augustiner in der Reglerkirche und Benediktiner auf dem Petersberg, sowie der etwas später eingerichteten Schule im Schottenkloster St. Jacobi bildeten sie das »Studium generale Erfordense«. Mit seinem Lehrprogramm, das alle Inhalte einer Philosophischen Fakultät abdeckte, lockte es Scholaren aus dem ganzen Reich nach Erfurt.
Ein sehr wirkmächtiger Text für die deutsche Rechtsgeschichte war der »Erfurter Judeneid«, der als einer der ältesten deutschen Texte aus Erfurt überliefert ist. Ende des 12. Jahrhunderts wurde er bei Rechtsstreitigkeiten mit Christen abgelegt. Die Einleitung weist auf eine Verbindung zu Bischof Konrad von Mainz hin, der 1183–1200 das Episkopat begleitete: »Dit ist der Juden eit den di biscof Cuonrat dirre stat gegebin hat.«. Zur Verbreitung des teilweise poetisch verfassten Textes sorgte sein Eingang in eine Reihe stadtrechtlicher Werke, wie dem »Schwabenspiegel«.
Ein Werk ganz anderen Charakters ist die Reimlegende »Heinrich und Kunigunde« aus der Feder des Ebernand von Erfurt (nach 1150-nach 1217). Das nur in einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert überlieferte Stück thematisiert das Leben von Kaiser Heinrich II. und seiner Gemahlin. Ein besonderer Kunstgriff gelingt Ebernand mit einem Akrostichon, einem Text, der sich aus den Anfangsbuchtstaben der Abschnitte ergibt: »Ebernant so heizin ich/di erfurtere irkennint mich«. Auch in Kontakt mit dem Leser tritt der Verfasser auf diese Weise: »Ist der leser Lluoc/hat er an kunste die gefuoc/er lese die houbtbuochstabe/von erst wan an daz ende herabe/dasmite die verse erhaben sint«.
Dank der politischen Aktivitäten des Landgrafen Hermann I. gelang Erfurt in eines der Schlüsselwerke der mittelhochdeutschen Epik. Der Hof des Thüringers war ein Zentrum der mittelalterlichen Dichtung. So weilte auch Wolfram von Eschenbach am Musenhof Hermanns als dieser gerade den Staufer Philipp von Schwaben schlug. Diese Episode aus dem Jahre 1204 ging mit der Zerstörung der Erfurter Weingärten einher, was Wolfram in seinem »Parzifal« verewigt: »Erffurter wingarte giht/von treten noch der selben nôt:/maneg orses fuoz die slage bôt.«.
In der Predigerkirche unterhielten die Dominikaner ab 1228 ein Konvent. Hier entstand die Chronik »De ortu principum Thuringiae«, die als Versuch gelten darf, sowohl den Mainzer Erzbischöfen, wie auch den Thüringer Landgrafen zu gefallen, deren Geschichte hier festgehalten wird. Der Verfasser der »Legende der heiligen Elisabeth«, Dietrich von Apolda, ebenfalls ein Dominikaner, lebte ab dem Jahr 1247 in Erfurt. Auf seinen Text gehen alle weiteren Darstellungen des Lebens und Wirkens der Heiligen zurück.
Einer weiteren legendären Frauenfigur widmet sich die »Cronica Minor« eines namentlich nicht bekannten Erfurter Franziskanerbruders. In dem Text von 1261 wird die Geschichte der Päpstin Johanna erzählt. Wie beliebt dieser Stoff war und ist, zeigen die kaum überblickbaren Bearbeitungen und Publikationen. Zuletzt brachte Sönke Wortmann das Leben der rein fiktionalen Figur 2009 mit seinem Film »Die Päpstin« auf die Leinwand.
Nicolaus von Bibra wusste die Unarten der Städter bereits im hohen Mittelalter zu benennen. In seinem Gedicht »Occultus Erfordensis« beschreibt er in bildhafter Sprache den Alltag der Jahre 1279–1282: »Da sind wohl an die tausend Scholaren zu finden,/Mancherlei Strolche und Tagediebe darunter,/Sinnen auf Trug, beim Würfeln nur munter,/Kommen als Studenten, gehen als Gauner von dannen.«. Nicolaus schuf mit dem 2000 lateinische Verse umfassenden Werk eine kulturhistorische Quelle von hohem Rang.
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