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Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution
Annette Seemann
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Weimar wurde schon ab 1875, bei einer Stippvisite, dann jedoch länger ab 1876 im Hause des Onkels Hermann Behmer für die junge Gabriele eine Art Wunschheimat. Behmer war Professor für Malerei an der Weimarer Großherzoglichen Zeichenschule und war damals gerade in das Haus am Kasernenberg gezogen (heute Leibnizallee 4).
Der Onkel hatte dem Kapellmeister Professor Müller-Hartung sein Haus am Kasernenberg abgekauft. Früher bewohnte es Hoffmann-Fallersleben eine Zeitlang. […] In Weimar herrschte eine liebenswürdige Sitte, die man das Tischerücken nannte. Mit Geisterspuk hatte sie nichts zu tun. Wenn eine Familie eine andere Wohnung bezog, kamen, sobald die Möbel standen, die Gardinen hingen, die Freunde angerückt, um in den neuen Räumen den Tisch zu decken. Es wurde den Insassen nur ein Wink gegeben, zu Haus zu bleiben und Lampen bereitzuhalten, für Speisen und Wein sorgten die Freunde. Musik und Aufführungen fehlten niemals bei diesen kleinen Festen.
Das war nun eine gute Gelegenheit für Tante Auguste, ihre heiteren, herzlichen Knittelverse spielen zu lassen. Vermittels alter Gardinen und frischer Blumen waren wir schnell in eine Schar von Genien verwandelt, das Künstlerpaar zu grüßen. Ich selbst stellte den Frieden dar und weihte auf diese Weise das Haus, in dem ich später für viele Jahre eine geliebte Heimat finden sollte.
Dieses Haus war über Jahre hinweg regelmäßig Gabriele Reuters Aufenthalt. Sie verbrachte meist den Frühling in Weimar, betreute die Kinder ihrer Tante Elisabeth Behmer, besuchte aber auch das Deutsche Nationaltheater und hatte Umgang mit den Künstlern an der Hochschule.
Im Herbst 1882 beziehen Gabriele Reuter, ihre Mutter und Bruder Martin nach mehreren anderen Wohnorten in Weimar die von Gabrieles Tante Auguste im Hause des Onkels Hermann aufgegebene Parterrewohnung, wo sie bis 1890 wohnen sollten. Obwohl diese Wohnung teurer als die vorherige war, plädierte Gabriele dafür. Eine Malerin wurde als Untermieterin aufgenommen, ein kranker Onkel, Onkel Hermanns Zwillingsbruder ebenfalls. Bruder Martin musste unter der Treppe schlafen. Die junge Frau ist mit der Pflege betraut, im Mai 1883 stirbt der Onkel. Gabriele Reuter klagt über Haarausfall, sieht ihre kreativen Kräfte schwinden, nicht zuletzt als familiäres Vermächtnis:
Über meiner matten Seele, meinen müden Gliedern fühlte ich den Fluch des Geschlechtes sich dichter und verhängnisvoll zusammenzuziehen. Der Wille, mit dem ich mich nach der Krankheit zusammengerafft, war allmählich versickert. Eine grenzenlose Unlust zu jeder Arbeit, zu jeder Freude hielt mich im trüben Bann.
Doch die lebhaften Kinder Hermann und Elisabeth Behmers, die Feste, die im Haus am Kasernenberg gefeiert werden, die vielen Besuche von nah und fern, beleben sie und wird wieder gesund.
Abb.: Foto: Jens Kirsten.
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