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Thüringen im Nationalsozialismus
Katrin Lemke
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Ricarda Huch zog mit der Familie ihrer Tochter (Prof. Dr. Franz Böhm, Marietta Böhm, Alexander Böhm) 1936 nach Jena. Nach schwieriger Wohnungssuche fand die Familie in der »geliebten Baracke« am Oberen Philosophenweg 72, heute Ricarda-Huch-Weg 24 für beinahe 11 Jahre ein Zuhause. Bereits einen Tag nach dem Umzug, am 1.9. 1939, schrieb die Dichterin ihrer Freundin Marie Baum: »Wir lieben unser neues Heim bereits, jetzt erst kommt uns zum Bewußtsein, wie schön es ist, zu Hause zu sein …« Das Haus, das der 1936 nach Kolumbien und später in die USA emigrierende Soziologe Prof. Paul Hermberg ihnen zur Miete überließ, war ein eher schlichtes, kaum Luxus bietendes Domizil, dessen Kellerlosigkeit in den Jahren der Bombardements ein großes Problem wurde. Ricarda Huch aber liebte ganz besonders den Garten und den schönen Ausblick aus der oberen Etage über die Stadt. Großen Wert legte sie auf freundschaftliche Kontakte. Zu einer Familie aus dem Wohnumfeld des Oberen Philosophenweges entwickelte sich in den Jahren 1939 bis 1947 eine besonders enge Freundschaft, die in beinahe tägliche Zusammenkünfte und gegenseitige Unterstützung mündete: die zur Familie Dr. Ernst und Annemarie Dahlet im Hilgenfeldweg 18. Im Luftschutzkeller der Dahlets verbrachten Ricarda Huch und ihre Angehörigen die Zeit der Bombenangriffe. In der tagebuchartigen Erzählung »Fliegerangriff« (auch unter dem Titel »Tag in Jena« erschienen) schildert sie dieses Erleben. Im Garten der Dahlet-Villa wurde am 18.7. 1944 auch der 80. Geburtstag der Dichterin gefeiert, zu dem prominente Freunde wie der Leiter des Insel-Verlages, Prof. Anton Kippenberg, Suzanne Diederichs (im Verlag Eugen Diederichs Verlag hatte Ricarda Huch im Jahre 1902 ihren Roman »Aus der Triumphgasse« veröffentlicht) und die Malerin Clarissa Kupferberg kamen. Die Villa von Dr. Peter Diederichs, Ehemann der Suzanne Diederichs bis 1946 und zusammen mit Bruder Niels ab 1930 Inhaber des Verlages, befand sich im Philosophenweg 17, weit erhöht und zurückgesetzt, erkennbar an den Löwenmedaillons an jeder Hausseite.
Geht man die Straße weiter in Richtung Innenstadt, vorbei an der von Walter Gropius gebauten Mensa der Universität, gelangt man zu einem der idyllischsten Fleckchen der Stadt Jena: dem Johannisfriedhof mit der Friedenskirche, über den Ricarda Huch 1937in einem Brief schrieb: »Hier in Jena ist ein sehr schöner Friedhof, durch den jetzt unerhörterweise eine Straße gelegt werden soll; allerdings besteht der Reiz weniger in besonders schönen Denkmälern als in dem Gewirr von Büschen und Bäumen … Jedenfalls ist das Ehrenmal, das ganz in unserer Nähe ist, wunderschön …« Der Ärger erregende Straßenbau wurde 1938 realisiert. Er verkleinerte den historischen Friedhof beträchtlich, brachte der Stadt aber die wichtige Ausfallstraße nach Westen, die heute noch Jena und Weimar verbindet.
Abb. 1: Foto, um 1950, Sammlung Stadtmuseum Jena - Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Stadtmuseums Jena / Abb. 2: Foto Jens-Fietje Dwars.
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