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Literarisches Thüringen um 1800
Matthias Biskupek
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen.
O die Natur, die zeigt auf unsern Bühnen sich wieder,
Splitternackend, daß man jegliche Rippe ihr zählt.
Damals gab es noch keine Kunststraße durch unser kleines Tal, ein Fremder war ein Phänomen hinter den grünen Bergen. Oft erschienen wir uns selbst als verwünschte Prinzessinnen, auf Erlösung aus dieser Eintönigkeit hoffend. Dennoch erfrischte uns immerwährend der Zauber dieser Berge.
Caroline von Lengefeld, geschiedene von Beulwitz, verheiratete und verwitwete von Wolzogen schilderte 1830 wie man das Eintreffen Schillers empfand – die Einbildungskraft kann Erinnerung verändern. Wo passt diese Erkenntnis besser hin, als vor den Rudolstädter Musentempel? – Er existierte 1788 noch nicht, weder in dieser, noch einer anderen Form.
Dieses »Komödienhaus«, ein Fachwerkbau aus Brettern, vom Volk auch »Bratwurstbude« genannt, gibt es seit 1793 – Goethe war ab 1794 Intendant. Da wurde auch, gleich nach Weimar, Schillers soeben geschriebener »Don Carlos« hier aufgeführt.
Zum Vogelschießen kam auch Schiller, zum heute thüringenweit größten Volksfest, das damals genau hier an dieser Stelle, zwischen den Gaststätten »Haus Boucher« und der späteren »Pörzbierhalle«, heute Klubtheater Schminkkasten und Theater-Intendanz, stattfand, alljährlich im September. Schiller kam eher missmutig, seiner späteren Frau zuliebe. Goethe hingegen lief begeistert auf dem Platze herum, »eine Bratwurst auf der Hand und ein Mädchen aus dem Volke im Arm«.
Zum Vogelschießen wurde auch jeweils die Theatersaison eröffnet – man spielte alles was gut und teuer war: So sah sich Schiller später in diesem Haus seine »Räuber« an und »Wallensteins Lager«. Für die Räuber-Aufführung kommandierte man extra zwanzig Soldaten hinter das Theater. Dort wurde mit echten Gewehren unaufhörlich gefeuert.
Im Jahre 1848 sollte Rudolstadt endlich als fürstliche Residenz auch ein repräsentatives Theater bekommen – aber das Volk hatte aufbegehrt, nun mochte der Fürst nicht mehr: Bekommt Ihr eben nischte, basta! Bleibts bei der Bude! Neubauten in den Zwanzigern und Dreißigern scheiterten ebenfalls – ein richtiges Bühnenhaus wurde erst 1984 angebaut. Schiller blieb in allen Jahren auf dem Spielplan, von den »Räubern« über den »Fiesco« bis zu »Maria Stuart« konnten die Rudolstädter in den vergangenen Jahrzehnten immer und immer wieder ihren heimlichen Haus-Dichter Schiller sehen.
Ergänzungen über die Zeit nach 1788: Schiller verlebte auch seine ersten Semesterferien als Professor hier – im Jahre 1791 erkrankte er während des Rudolstadt-Aufenthaltes im Mai so schwer, daß es schon hieß, er sei gestorben. Diese Nachricht brachte ihm Gutes – von da an erhielt er nämlich von dänischen Gönnern ein Jahresgehalt. Als ordentlich verheirateter Professor wohnte er bei späteren Besuchen auf dem Schloss – wo bekanntlich die Schwiegermutter als Hofmeisterin wirkte. 1799 war er das letzte Mal hier:
Ich hoffe, daß Ihnen allen diese Partie so gut bekommen ist, wie mir. Es war ein gar lieblicher, vertraulicher Abend, der mir für diesen Sommer die schönsten Hoffnungen gibt. Mehr solche Abende und in so lieber Gesellschaft – mehr verlange ich nicht. Rudolstadt und diese Gegend überhaupt soll, wie ich hoffe, der Hain der Diane für mich werden.
Natürlich O‑Ton Schiller.
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